Jenseits von Dolce Vita: Venedig als literarischer Schauplatz

rbb Radio Berlin Brandenburg, 25. Mai, 17:04 Uhr

Venedig ist eine Erfindung. Es ist wahrscheinlich, sogar sehr wahrscheinlich, dass die Stadt gar nicht existiert. Vielleicht ist Venedig nur eine Vorstellung.
Die Stadt ist erfunden worden von Menschen, die um die Mitte des 5. Jahrhunderts  in die Lagune hinauszogen, um in Sicherheit zu leben. Die Bedrohung kam von den Hunnen, heißt es, und wie clever waren die späteren Venezianer: Um einem Reitervolk ausweichen, bauten sie sich eine Wasserstadt. Danach erhoben sie sich als Kaufleute und Krieger zu historischer Größe, beherrschten die Adria, das Mittelmeer und die Handelswege in den Orient. Sie rafftenunermesslichen Reichtum und sie erfanden Prunk und Schönheit ihrer Gebäude, ihrer Palazzi, ihrer Kirchen, ihrer öffentlichen Einrichtungen.
Kurz darauf, irgendwann im 18. Jahrhundert, verschwand die Stadt von den Listen der bedeutenden Städte. Nur die Idee blieb.
Von da an war Venedig nur noch das, was der Einheimische, der zeitweilige Bewohner oder auch nur der kurzzeitige Besucher, in ihr sehen wollte. Mark Twain, der ein großer Satiriker und Spötter sein konnte, (weil er ein so genauer Beobachter war) hat es auf den Punkt gebracht.
 
Twain
Im verräterischen Sonnenlicht sehen wir Venedig verfallen, verarmt und ohne Handel. Aber bei Mondlicht hüllen die vierzehn Jahrhunderte ihrer Größe die Stadt in einen Glorienschein, und noch einmal ist sie die fürstlichste unter den Nationen der Erde.